Geistlicher Impuls

Erntedank

Wie lange dauert euer Tischgebet – falls ihr überhaupt betet. Von Bischof Fürst wurde mir erzählt, dass er sich über die „Schnellgebete“ bei Tisch aufgeregt hat. Ich kenne da mehrere: „Für Trocken und Nass - Deo gratias!“ etwa oder auch „Guter Gott, segne flott – und mach‘s bald, sonst wird’s kalt!“

Ich finde das nicht „ungehörig“. Denn worum geht es beim Tischgebet? Es geht doch darum, kurz innezuhalten und nicht gedankenlos zu essen. Innezuhalten und Gott zu danken, dass er wachsen lässt und ich zu essen habe. Innezuhalten und an die Menschen zu denken, die für mein Essen gearbeitet haben. Da ich öfter im Casino im Krankenhaus esse, heißt es für mich auch innezuhalten und an die Menschen zu denken, die spülen und die Küche aufräumen.

Innehalten. Das finde ich das Wichtige beim Tischgebet und das ist unabhängig davon, wie viel Worte ich mache und wie lange das Gebet dauert. Die Frage ist eher, ob ich mit den Gedanken dabei bin und tatsächlich danke oder um Segen bitte, ob ich es also ernst meine, oder ob ich einfach nur aus Gewohnheit mein Tischgebet dahinsage. Das macht den Unterschied, nicht die Länge des Gebets.

Genau an dieser Stelle trifft sich das Tischgebet mit dem Erntedankfest. Erntedank ist auch ein Innehalten. Innehalten und Nachdenken. Es bedeutet nicht für selbstverständlich zu halten, was in unserem Garten wächst oder in den Läden für uns in den Regalen liegt. Nicht für selbstverständlich halten, dass wir täglich unseren Hunger (wenn man es denn so nennen mag) stillen können. Nicht für selbstverständlich halten, dass wir Brot – und nicht nur Brot - im Überfluss haben. Erntedank heißt für mich auch: daran denken, dass ich in einem reichen Land lebe und es anderen Menschen nicht so gut geht, wie mir. Daran denken, dass andere arbeiten, damit ich essen kann. Und manche arbeiten, wenn ich etwa an das Luxusgut „Schokolade“ denke, oft für einen Hungerlohn im wahrsten Sinne des Wortes.

Tischgebet und Erntedankfest – das bedeutet die Nahrung dankbar aus Gottes Hand nehmen und aus der Hand anderer Menschen. Oder kurz:
Erntedank heißt: Für Trocken und Nass – Deo gratias!

Karin Fritscher

 P.S. Und noch mein Lieblingstischgebet für Spaghetti:
Für Spaghetti – lang und schlank – sage ich dem Schöpfer Dank.
Ebenso für die famose leckere Tomatensoße.
Und auch noch für den Salat, den er uns gegeben hat.